Ein Gastbeitrag von Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon
Nächste Woche kommen die Staats- und Regierungschefs zu einem wichtigen Ereignis zusammen - der Uno-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro. Wird sie ein Erfolg? Meiner Meinung nach ja. Sicher werden die Verhandlungen mühsam werden. Auch jetzt besteht mehr Uneinigkeit als Einigkeit zu den Details der Abschlusserklärung. Aber das wird nicht die entscheidende Messlatte sein. Wichtiger ist, was die Rio-Konferenz bereits jetzt erreicht hat. Durch sie entsteht eine weltweite Bewegung für Wandel.
"Rio+20" ist ein Meilenstein auf einem langen Weg. Der berühmte Erdgipfel von 1992 hat Nachhaltigkeit auf die globale Agenda gebracht. Jetzt besitzen wir ein breiteres und tieferes Verständnis, wie wir die Dinge miteinander vereinbaren können. Alle Menschen müssen an Wohlstand und dauerhaftem Wirtschaftswachstum teilhaben können. Gleichzeitig müssen wir die wichtigsten Ressourcen des Planeten schützen: Boden, Luft und Wasser.
In Rio werden mehr als 100 Staats- und Regierungschefs zusammen mit ungefähr 25.000 Teilnehmern über künftige Schritte beraten. Viel zu lange haben wir versucht, den Weg zu Wohlstand durch gesteigerten Konsum zu sichern. Dieses Modell ist tot. In Rio müssen wir ein neues Modell für ein Wirtschaftssystem des 21. Jahrhunderts entwickeln, das den Mythos widerlegt, dass es zwischen Wachstum und Umwelt einen Nullsummen-Ausgleich geben muss. Mit intelligenten Maßnahmen können Regierungen Wachstum schaffen, Armut bekämpfen, Arbeit schaffen und sozialen Fortschritt beschleunigen und gleichzeitig die natürlichen und endlichen Ressourcen der Erde schonen.
Der Wandel ist unumkehrbar
Der Wandel ist bereits unumkehrbar und in vielen Ländern zu spüren. Barbados, Kambodscha, Indonesien, die Republik Korea, Südafrika und viele andere setzen bereits auf eine Strategie des "grünen Wachstums". Dabei werden begrenzte natürliche Ressourcen effizienter genutzt, es entstehen Arbeitsplätze und der CO2-Ausstoß wird begrenzt. Armenien, Aserbaidschan, Ägypten und Kenia setzen grüne Technologien in einigen Industriezweigen ein, in der Landwirtschaft und in der Tourismusindustrie.
China hat sich dazu verpflichtet, bis 2020 16 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken und plant im Rahmen des aktuellen Fünfjahresplans mehr als 450 Milliarden US-Dollar in Müllrecycling und saubere Technologien zu investieren. In Brasilien sind im Recycling und der Abfallbeseitigung mehr als 500.000 Menschen beschäftigt. Die meisten von ihnen leben am Rand der Gesellschaft. In Indien sind neue Gesetze beschlossen worden, durch die die Menschen dafür bezahlt werden, natürliche Ressourcen wie Wälder oder Trinkwasser sorgsamer zu nutzen.
Wo immer Sie hinsehen, bemerken Sie, dass nationale und lokale Regierungen Regeln anwenden, die uns dabei helfen können, von der Schädigung der Umwelt und wachsender sozialer Ungleichheit wegzukommen und stattdessen ein neues Zeitalter des ausgewogenen und nachhaltigen Wachstums zu beginnen.
Erklärung von mehr als 1000 Unternehmensführern
Regierungen und Nationalstaaten sind nicht alleine darin, diesen Prozess des Wandels umzusetzen. Mehr als 1000 Unternehmensführer aus aller Welt werden in Rio eine gemeinsame Erklärung verbreiten: So wie bisher können wir nicht weitermachen. Viele von ihnen sind Mitglieder des Global Compacts der Uno, einer Bewegung des Privatsektors. Sie haben verstanden, dass die Unternehmensverantwortung des 21. Jahrhunderts in der nachhaltigen Unternehmensführung liegt.
Energie wird eines der wichtigen Themen in Rio sein. Ich nenne Energie das "goldene Band", das die einzelnen Bereiche hin zu einer nachhaltigen Zukunft verbindet. Energie ist entscheidend für Entwicklung, soziale Teilhabe und Umweltschutz, einschließlich Klimaschutz. Deshalb habe ich 2011 eine neue Initiative mit dem Namen "Nachhaltige Energie für alle" begonnen. Unser Ziel: Dem Fünftel der Menschheit weltweit Zugang zu moderner Energie garantieren, das davon noch ausgeschlossen ist. Außerdem wollen wir die Energieeffizienz und den Anteil erneuerbarer Energien verdoppeln. In Rio werden Vertreter von Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft eine Vielzahl entsprechender Maßnahmen vorstellen, um diese Ziele zu erreichen.
"Nachhaltige Energie für alle" ist die Partnerschaft der Zukunft. Das Prinzip ist einfach, aber mächtig: Die Vereinten Nationen bringen alle Akteure an einen Tisch, damit sie gemeinsam an diesem Ziel arbeiten können. Genau darum geht es bei "Rio+20". Ja, die Verhandlungen selbst sind sehr wichtig. Vereinbarungen, die heute schriftlich festgehalten werden können, werden die Diskussionen der Zukunft gestalten. Aber bei "Rio+20" geht es um mehr. Die Konferenz ist der Ausdruck einer dynamischen weltweiten Bewegung für den Wandel. Ein großer Schritt hin zu einer Zukunft, die wir wollen.
HilfeLassen Sie sich mit kostenlosen Diensten auf dem Laufenden halten:
alles aus der Rubrik Wissenschaft | Twitter | RSS |
alles aus der Rubrik Natur | RSS |
alles zum Thema Rio+20 | RSS |
© SPIEGEL ONLINE 2012
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH